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Bewegungsabläufe

Anpassungen

Im Wing-Tzun steht Flexibilität an oberster Stelle und entspricht dem taoistischem Grundprinzip der Anpassung. Gemäß dem Kraftsatz 1 “befreie dich von deiner eigenen Kraft” soll die Fähigkeit der Anpassung jederzeit möglich sein. Die 6 Gelenke (siehe Skizze 1) pro Körperhälfte sind dafür verantwortlich sämtliche mögliche Optionen der Anpassung umzusetzen. Gelenke (sinnbildlich lenken), steuern einerseits unsere Bewegung und dementsprechend bei Kontakt zum Gegner, die Bewegung des Gegners gleich mit. Anpassungen beziehen sich auf die Hände, Ellbogen, Schulter, Hüfte, Knie und Füße.

Anpassungen sind auch abhängig von der mentalen Verfassung, d.h. zuviel Agression, Angst oder Schreckreaktionen verhindern die Fähigkeit der Anpassung. Die Muskelspannung (Tonus) blockiert die Gelenkstruktur (Sehnen) und erhöht sogar den eigenen Krafteinsatz gegen die gegnerische Kraft. Wenn im Kleinhirn die Entscheidung der erhöhten Muskelspannung eingeleitet wird, dann lassen sich nur wenige oder keine Prinzipien des Wing-Tzun umsetzen. Um sich von der gegnerischen Kraft zu befreien, müssen wir uns zuerst von der eigenen Kraft (störenden) Kraft lösen. Der Gegner stört schon in der Regel durch sein Abwehrverhalten unsere Bewegungen, also obliegt es uns, diese Störung nicht durch eigenen Krafteinsatz unnötig zu erhöhen und somit die Lösung des Problems zusätzlich zu erschweren.

Daraus ergibt sich, dass das Üben des Wing-Tzun, z.B. Formen, entspannt erfolgen soll, damit die Bewegungsabläufe fließend und frei ausgeführt werden können. Das Muskelgedächtnis speichert die Abläufe ab, die Dehnung der Muskelatur und Sehnen verbessert sich und erhöht den Spielraum der Anpassung und somit die Umsetzung der Wing-Tzun Techniken.

 

Skizze 1


Der erste Bewegungsablauf soll die Reihenfolge der Gelenke verdeutlichen. Der Vorwärtsschritt, der bei einem Angriff oder eine Verfolgung des Gegners ausgeführt wird ist sozusagen eine Standardbewegung im Wing-Tzun und verdeutlich den Aufbau der Bewegung :

 

Skizze 2

 

1.) Das erste Gelenk, das bewegt wird ist  der Ellbogen. Der Ellbogen leitet die Streckung des vorderen Arms ein. Die Streckung ist also eine Annäherung an das Ziel, da die Reichweite des Arms grösser wird. Ebenso wird bereits Bewegungsenergie erzeugt und der Druck des Arms erhöht sich, einerseits um der gegnerischen Kraft zu begegnen oder in den Gegner einzudringen und mit dem Arm den Gegner zu verdrängen.

2.) Unmittelbar mit dem Anheben des Ellbogens wird das vordere Knie in Bewegung gesetzt, sinnbildlich zieht der Ellbogen das Knie hinter sich her. Die Verkettung ist wie beim Theraband Training, wenn Ellbogen und Knie mit einem Band verbunden wären, so ensteht bei der Vorwärtsbewegung des Ellbogens eine Spannung zum Knie, die dann der Auslöser für das Knie ist. Das Knie folgt ebenso, wie der Ellbogen, in Richtung des Gegners, damit wir unseren Druck und die Verkürzung der Distanz direkt auf das Ziel ausrichten.

 

Skizze 3

 

3.) Wenn das Knie sich nach vorne in Bewegung setzt und sich leicht dabei vom Boden abhebt, so zieht die Bewegung des Beins das nächst liegende Gelenk die Hüfte mit sich. Hier gilt das gleiche Prinzip, wie mit dem Therband, entfernt sich ein Gelenk von der Ruheposition weg, so ensteht eine Spannung zum nächsten Gelenk. Die Hüfte ist gleichbedeutend mit unserem Schwerpunkt und somit ist die Hüftbewegung maßgeblich an der Geschwindikgeit unserer Vorwärtsbewegung beteiligt. Da bereits Teile unseres Körpers (Ellbogen, Knie) in der Vorwärtsbewegung sind, so wird die Hüfte schneller in Bewegung gesetzt. Der Hüftdruck erhöht den Druck auf den vorderen Arm, also gilt die Regel : Bewegung (Streckung des Arms) und Bewegung der Hüfte (Druck der Masse) arbeiten zusammen.

 

Skizze 4

 

 

4.) Das vordere Knie ist in der Vorwärtsbewegung und setzt somit unseren Schwerpunkt und Unterkörper in Bewegung in Richtung Gegner. Damit wir den Oberkörper nicht passiv lassen und durch den Schwung der Bewegung der Hüfte nach hinten gedrückt werden (wie bei der Beschleunigung im Auto), so setzen wir die Schulter ein und drücken diese zusätzlich mit nach vorne. Damit bleibt die Verbindungslinie zwischen Hüfte und Schulter im gleichen Spannungsverhältnis und verbinden sich mit der bereits existierenden Geschwindigkeit.

 

Skizze 5

 

5.) Nun sind alle Gelenke in der Vorwärtsbewegung : Ellbogen, vorderes Knie, Hüfte, Schulter und verkürzen die Distanz zum Ziel (Gegner). Damit der restliche Anteil unseres Körpers, das hintere Standbein, als letzter Teil ebenso in Bewegung versetzt wird, so zieht die Schulterbewegung das hintere Knie mit sich mit. Die Verbindungslinie zwischen Schulter und dem hinteren Knie zeigen das Verbindungslinie und das Spannungsverhältnis. Durch das nachziehen des hinteren Beins verlassen wir endgültig unsere alte Position und nehmen eine neue Position ein und schließen die Bewegung durch das nachziehen des hinteren Beins ab. Somit ist gewährleistet, dass der Bewegungsmoment nahtlos von allen Gelenken in der beschriebenen Reihenfolge ausgelöst wird, man nennt dies Kettenreaktion. Diese verzögerungsfreie Abfolge sorgt dafür, dass der Zeitraum zwischen anheben des Ellbogens (Gelenk 1) und nachziehen des hinteren Beins (Gelenk 5) keine Pausen entstehen, sondern nahtlos dynamisch ausgeführt werden. Eine Vorwärtsbewegung verkürzt die Distanz zum Gegner und verkürzt im gleichem Maße die Reaktionszeit des Gegners.

 

Skizze 6

 

6.) Abschließend die gesamte Ablauf in der numerierten Reihenfolge der kompletten Bewegung. Beim üben dieser Bewegung ist es hilfreich die Appelle innerlich in diesem Modus an das Gehirn zu richten. Langsam und focusiert die Programmierung aufbauen, damit diese Kettenreaktion im Ernstfall unbewußt ausgeführt wird.